2693 Highlight

Talentförderung und Nachwuchstraining

Die Diskussion darüber wie in Deutschland die komplexen Prozesse der Talenterkennung und Talentförderung grundsätzlich sowie in Sportarten gestaltet werden sollen (und können) ist nicht neu. Und es bedarf keiner seherischen Fähigkeiten um vorauszusagen, dass sie zwischen den verschiedenen Mitspielern im Konzert des Jugend- und Nachwuchsleistungssports aus der Sportwissenschaft, dem Bildungswesen und den Sportorganisationen auch in den kommenden Jahren weitergeführt wird bzw. weitergeführt werden muss. Die Ursachen dafür liegen in der Natur der Sache: Einerseits gibt es in verschiedenen Bereichen innerhalb und außerhalb des Sports ein sehr ausgeprägtes Interesse sowohl an den wissenschaftlichen Grundlagen und Erkenntnissen zu diesem Thema und seinen vielen Facetten, andererseits sind die Einrichtungen und Organisationen wie beispielsweise (Sport)Schulen, Sportvereine, Sportverbände oder Olympiastützpunkte auf das Engste mit dem Thema verbunden, erfolgt doch auf dieser Ebene die praktische Umsetzung der Auswahl- und Förderaktivitäten. Das wiederum ist keine einfache Aufgabe, was auch wiederum schnell erkennbar wird. So gibt es eben nicht die schnurgeraden Entwicklungswege sportlicher Talente (wenn sie denn "entdeckt" wurden) hin zum Olympiasieg oder Weltmeistertitel, sondern sind Planungen der langfristigen Leistungsentwicklung von Kindern und Jugendlichen stets erst auf der individuellen Ebene der Nachwuchssportlerin oder des Nachwuchssportlers real. Die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zur inhaltlichen Gestaltung einzelner Trainingsetappen und Wettkampfprogramme beruhen zwar inzwischen auf einem soliden fachlich-wissenschaftlichen Fundament, können aber nicht als Garantie für die kontinuierliche Leistungsentwicklung hin zu einer prognostizierten (und für den Hochleistungssport als erforderlich erachteten) sportlichen Spitzenleistung betrachtet werden. Dazu sind zu viele Facetten zu beachten, müssen perfekt ineinander greifen, um die Wahrscheinlichkeit einer "geplanten" Leistungsentwicklung zur Realität werden zu lassen. Hinzu kommen Faktoren, die nicht vorhergesagt werden können, wenn Kinder oder Jugendlich zum Beispiel das Interesse an und die Motivation für das nachwuchsleistungssportliche Training verlieren, wenn plötzlich andere Dinge im Leben wichtiger erscheinen als das regelmäßige Training oder wenn ein sportlicher Traum innerhalb einer Sekunde durch eine Verletzung um Monate oder Jahre verzögert wird, oder im schlimmsten Fall gar gänzlich zerplatzt. Trotz all dieser Faktoren oder gerade wegen ihnen ist es wichtig, dass sich die Sportwissenschaft und die Sportpraxis kontinuierlich mit den Themen der Talentfindung und Talentförderung befassen. Kindern und Jugendlichen sollen Möglichkeiten einer gezielten Leistungsentwicklung gegeben werden, damit sie das in ihnen ruhende Entwicklungspotenzial ausschöpfen können, was letztlich auch zu sportlichen Höchstleistungen führen kann. Dafür müssen Wissenschaftsdisziplinen wie die Sportwissenschaft, Trainingswissenschaft, die Sportmedizin, Sportpsychologie oder Sportpädagogik Beiträge leisten. Dann kann es immer besser gelingen, Talente zu erkennen und ihnen Entwicklungswege anzubieten, in geeigneten und mit Fachpersonal ausgestatteten Bildungseinrichtungen und Sportorganisationen ihren Entwicklungsweg zu gehen. Das kann dann gelingen, wenn der Sport selbst sich dem Thema konsequent zuwendet, aber auch wenn er Bereitschaft zeigt, Erkenntnisse und Lösungswege aus anderen Ländern zu analysieren und Wissen und Lösungen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen (denn nicht nur im Sport gibt es Hochbegabte, die ihre Begabung und Passion ausleben wollen) zur Kenntnis zu nehmen und kritisch zu reflektieren. Parallel dazu sollten Best Practice Beispiele des Nachwuchsleistungssports des In- und Auslands genau analysiert und darauf untersucht werden, wie sie zu den deutschen Farben der Sport- und Bildungslandschaft passen. Die Methoden der Talentidentifikation und Problembereiche wie Frühzeitigkeit oder körperliche Eignung zu einem bestimmten Zeitpunkt sind Beispielthemen, aber auch die Zusammenarbeit von Sportvereinen und Schulen gehört zum Kern einer nationalen Strategie der Talentförderung im Sport. Diese sollte auf einer gemeinsam erarbeiteten und von den Mitspielern gemeinsam vertretenen Definition des Talents beruhen, von der ausgehend Entwicklungslinien der Persönlichkeit wie der sportlichen Leistung von Mädchen und Jungen entwickelt werden, die sich durch ihre besondere sportliche Leistungsfähigkeit auf den Weg zu Bundesligavereinen, Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen machen. Wer sich ernsthaft und seriös mit den Problemen und Lösungsansätzen der Talentförderung und des Nachwuchstrainings in einer offenen und pluralistisch angelegten Gesellschaft auseinandersetzen will, der sollte diesen Band von Winfried Joch und seinen drei Mitautoren in die Hand nehmen, bieten sie doch eine thematisch weit gefächerte Zusammenschau des aktuellen Erkenntnisstands, von Problemen und Lösungen in der Talentförderung und im Nachwuchstraining im deutschen Sport. Inhalt Einführung Begabung, Hochbegabung, Talent Talentförderung und Nachwuchstraining im Sport Auf der Suche nach dem Königsweg Von der Hochbegabtenforschung lernen Aufwand und Ertrag, oder: abbauende Evolution 1. Kapitel. Talentförderung und Nachwuchstraining in Deutschland 1.1 Die Frühphase der Sportentwicklung 1.2 Beginnende Systematik 1.3 Pädagogisierungsdebatte 1.4 Talentförderung in der DDR (Ditmar Wick) 1.5 Neuere Tendenzen: Evaluation und Optimierungsansprüche 2. Kapitel. Theoretische Grundlagen 2.1 Talentdiskussion: Talent und Leistung - Erbe und Umwelt - Lernen und Üben 2.2 Talentdefinition: Der statische und dynamische Talentbegriff 2.3 Die Bedeutung der Dynamik 2.4 Grundlegende Orientierungen: Entwicklung - Dynamik - Komplexität 3. Kapitel. Entwicklung und Training 3.1 Entwicklung als Leitbegriff 3.2 Prognoseunsicherheit, Vielfalt und Ordnung 3.3 Bedeutung und Stellenwert des Trainings: Deliberate Practice, oder: das Problem des Übens 3.4 Altersbedeutung 4. Kapitel. Zentrale Problembereiche 4.1 Frühzeitigkeit 4.2 Vielseitigkeit 4.3 Körperliche Eignung 4.4 Genetische Determination 4.5 Gesellschaftliche Bedeutung und ökonomische Relevanz 5. Kapitel. Karriereplanung und Karriereverläufe 5.1 Fallbeispiele: Laufen in Kenia Turnen in Deutschland Aussortiert Ein Jahrhunderttalent Frühe Anerkennung Die Anmut und ihr Preis Immer zwei Schritte vorwärts und dann drei zurück Auf geradem Weg zum Olympiasieg 5.2 Duale Karriere: Schule und Begabtenförderung (Sandra Ückert) Kooperationsmodell: Schule und Verein Das schulische Wettkampfprogramm Eliteschulen des Sports Varianten der dualen Karriere 5.3 Karriereende und Drop-out (Sven Baumgarten) 6. Kapitel. Sportartspezifisches Nachwuchstraining 221 6.1 Das leichtathletische Grundlagentraining . 221 6.2 Der langfristige Leistungsaufbau im leichtathletischen Nachwuchstraining 6.3 Spezielle Probleme des (Kunst)Turnens 6.4 Talententwicklung im Fußball 7. Konklusion Literaturverzeichnis
© Copyright 2012 Veröffentlicht von Academia. Alle Rechte vorbehalten.

Schlagworte: Kind Jugend Junioren Nachwuchsleistungssport Talent Eignung Auswahl Theorie Alter Leistungsentwicklung langfristiger Leistungsaufbau Deutschland DDR Kenia Genetik Prognose Schule Beruf Hochschule Wettkampf Zusammenarbeit Grundlagentraining Leichtathletik Gerätturnen Fußball Langstreckenlauf Entwicklung Sportart
Notationen: Nachwuchssport
Veröffentlicht: Sankt Augustin Academia 2012
Ausgabe: Sankt Augustin: Academia, 2012.- 279 S.
Seiten: 297
Dokumentenarten: Buch
Sprache: Deutsch
Level: hoch